Jeder von uns kommt, nüchtern betrachtet, mit den gleichen Voraussetzungen auf diese Welt – klein, nackt, unwissend, unbefleckt, unschuldig, hilfsbedürftig, ohne jeglichen Besitz und einfach vollkommen perfekt.

Im Laufe der Jahre werden wir geprägt von unseren Eltern, Geschwistern und anderen Vorbildern, die wir als kleines Kind bewundern. Für uns ist eines ganz klar, wenn wir groß sind möchten wir genauso toll werden wie sie. Sie sind es, die uns das, was wir wissen müssen beibringen, viele gute und nützliche Dinge, Werte und Glaubensrichtungen. Wir werden geliebt, beschützt, erzogen bekommen gezeigt, worauf es im Leben ankommt und weil wir es als Kinder nicht anders können, tun wir alles um ihnen zu gefallen. Kennst du den Gedanken, wenn ich groß werde, werde ich genauso toll wie mein Papa meine Mama, mein Bruder oder auch meine Tante?

Ein Kind möchte sich geborgen fühlen, es möchte gefallen, unterstützt, gelobt werden und vor allem möchte es von den Menschen, die es über alles liebt ebenfalls geliebt werden. Ich würde mal behaupten, das dieser Lebensabschnitt eines Menschen, der ist, in dem man durch die vollkommene Abhängigkeit extrem manipulierbar ist. In dieser Zeitspanne unseres Lebens lernen wir auch, was es bedeutet, wenn wir nicht den Erwartungen unserer Eltern entsprechen, was dazu führt, das wir glauben, das bestimmte Emotionen oder Charaktereigenschaften unerwünscht sind. Neid, Eifersucht, Traurigkeit, Schwäche, Angst, Wut oder Unsicherheit verursachen Leid, dadurch beginnen wir oft schon in unserer Kindheit, die ersten inneren Mauern zu errichten um diese Makel wegzusperren. Schon sehr früh erkennen wir, das wir ein Schatten-Ich haben und dieses ist nicht schön, es gehört versteckt, damit es keiner sieht und uns keiner dafür verachtet. Wir vertrauen unseren Eltern blind, genauso wie sie ihren und die ihren deren vertraut haben. Als Kind ist man dem ganzen ziemlich ausgeliefert, weil man nicht so stark ist sich zu wehren. Doch wir wachsen und werden größer, wir entwickeln eigene Charaktereigenschaften, dadurch erkennen wir früher oder später, das wir uns dadurch von unseren Eltern unterscheiden. Wir haben eigene Ziele, Wünsche, Stärken und Hobbies, können manche Dinge besonders gut und wieder andere gelingen uns gar nicht. Plötzlich nehmen wir uns anders wahr, wir testen unsere Grenzen und unsere Ideale verschieben sich im Laufe der Zeit. Wir finden neue Vorbilder, vielleicht in Menschen, die unsere Vorlieben teilen und es kommt nicht selten vor, das wir auf einmal nicht mehr so werden möchten wie eines unserer Vorbilder.

Als Teenager ist es besonders schwer – die Hormone spielen verrückt und irgendwie kann man es in dieser Zeit niemanden wirklich recht machen, man versucht zwar so zu sein wie andere einen gern hätten, doch meistens schafft man es nicht, weil der Drang sich durchzusetzen oft stärker ist. In dieser Zeit, glaube ich, leidet man selbst am stärksten darunter, weil man es sich am wenigsten recht machen kann. Hier entstehen oft , Selbstzweifel, Mistrauen, Minderwertigkeitsgefühle, auch Machtkämpfe und Konkurrenzdenken. Wer kennt es nicht? In dieser Zeit hat man oft das Gefühl, das ein Erwachsener einen nie versteht, alle dürfen Dinge tun, keiner hat solche Eltern wie ich sie habe und ich darf gar nichts, vor allem nicht so sein wie ich es sein möchte.
Wenn man erwachsen ist, hat man es am einfachsten, gerade in Bezug auf Authentizität, man kann immer seine Meinung sagen und wird meistens ernst genommen. Natürlich eckt man hier auch oft mit anderen an, aber zumindest wird man hier nicht unbedingt als zu jung und unerfahren abgestempelt. Vielleicht hat es damit zu tun, das man sich selbst erst in dieser Lebensphase wirklich ernst nimmt, man muss ja schließlich jetzt die volle Verantwortung für sich selbst tragen. Für sein Leben, seinen Körper und auch seinen Geist mit all seinen Gedanken. Trotzdem wird es immer diejenigen geben, die sich das Leben leicht machen, solche die immer versuchen werden, es anderen recht zu machen, weil sie es nicht anders gelernt haben. Sie sind es nicht gewohnt anzuecken sie haben sich entschieden mit der Masse mitzuschwimmen. Für einige wird es auch immer so funktionieren, weil sie nichts anderes wollen und brauchen, ich möchte ihr Leben und ihre Entscheidungen nicht bewerten und ganz ehrlich es steht mir auch nicht zu.

Durch mein Leben und durch Yoga habe ich die Erfahrung gemacht, das es sich lohnt, sich mit sich selbst auseinander zu setzen. Ich habe mich dafür entschieden, ich zu sein, mit all den Facetten meines Wesens und mit all den Schattenseiten, die ich habe. Ich brauche natürlich auch eine gewisse Sicherheit, Familie, Freunde, eine Aufgabe und Ziele im Leben, aber ich brauche auch Rückschläge um zu wachsen. Ich bin davon überzeugt, das mir gewisse Dinge im Leben passieren, damit ich reflektiere, damit ich lerne achtsamer zu sein und auch, das ich das Leben was ich führen darf, wertschätze. Nicht immer sind die Lektionen angenehm, aber ich behaupte, das jede einzelne sich gelohnt hat und jede die noch auf mich wartet sich lohnen wird. All das macht mich und mein Leben aus. Früher war ich der Meinung, das es bestimmte Grenzen gibt, die ich einhalten muss, ich war der Meinung einem bestimmten Bild entsprechen zu müssen und Menschen, die es sich mit mir verscherzt haben, habe ich praktisch aus meinem Leben radiert. Heute bin ich der Meinung das diese Grenzen dafür da sind verschoben zu werden Stück für Stück, weil sie mich limitieren. Ich glaubte, das es Werte gibt, die einfach da sind und nach denen wir unsere Kinder erziehen müssen, war oft viel zu hart mit mir und dadurch auch zu anderen. Klar es gibt Werte, die wichtig sind, aber es gibt viele hinter denen wir uns verstecken, weil wir uns nicht eingestehen, das sie für uns nicht richtig sind und trotzdem geben wir sie an unsere Kinder weiter, warum überhaupt? Manchmal ist das Leben eine Herausforderung und manchmal komme ich gut damit zurecht, doch bisher hat es sich immer gelohnt, einen Ziegel von der Mauer zu nehmen und ein bisschen freier zu werden in meinem Inneren, weil ich mich genau dadurch so lebendig fühle.
Jede Träne und jedes Lachen gehört zu mir und macht mich aus, ich möchte mein Leben dazu nutzen mich kennenzulernen, meine Schattenseiten anzunehmen und sie auch offen zu zeigen, nicht auf kosten anderer, sondern so, das ich authentisch sein darf genauso so wie ich nun mal bin. Ich möchte Erfahrungen machen, natürlich gibt es welche, die ich nicht machen muss und wo ich aus Erfahrungen anderer profitiere, aber alles was mich wachsen lässt, möchte ich erfahren dürfen.

Ich finde, das jede Emotion, jede Charaktereigenschaft ihre Berechtigung hat, es ist in Ordnung geduldig oder ungeduldig zu sein, stark oder schwach, Neid oder Eifersucht zu empfinden, ängstlich oder verletzlich zu sein, genauso ist es in Ordnung sich für andere zu freuen, stark und mutig zu sein, Gefühle zuzulassen, für andere ein offenes Ohr zu haben oder einfach nur da zu sein, wenn sie dich brauchen. Nimm es an und entscheide dich nicht dafür, dich für manche Wesenszüge zu schämen, abzuwerten oder nur die schönen Dinge zu zeigen. Sei einfach du selbst, mache Fehler, lerne daraus und nimm dich an mit allem was zu dir gehört, denn erst wenn du mit dir im Reinen bist, verliert das was dich aus der Bahn wirft an Macht, dann erst werden sich die Gedanken, die dich manipulieren, entspannen und dieser innere Käfig wird sich öffnen. Wenn du das erkannt hast, heißt es zwar noch lange nicht, das du dein Ziel erreicht hast, aber es ist zumindest der Beginn einer sicher spannenden und schönen Reise, sie führt dich zu deiner wahren Essenz. Veränderungen brauchen einfach oft Zeit, hier braucht man Mut, Vertrauen und Geduld. Hab Vertrauen in die Existenz dessen was dich erfüllt, ganz egal, wieviele Niederlagen du auf diesem Weg einstecken musst. Manchmal braucht es Zeit um bestimmte Erfahrungen zu machen und dadurch zu wachsen, sei geduldig und glaube an daran, das es notwendig ist für deine Entwicklung. Vergesse hierbei aber nie zu leben, Spaß zu haben und auch mal die Verantwortung loszulassen um einfach mal dein Dasein zu genießen.

Das Gute am Mensch sein ist, das wir uns im Laufe der Jahre weiter entwickeln, wir werden älter, reifer und lernen uns selber etwas besser kennen und so anzunehmen wie wir gemeint sind. Jeder von uns hat seine Schattenseiten in unterschiedlichen Ausprägungen – na und? Auch wenn es manchmal unangenehm ist uns so zu akzeptieren, zu lieben und zu achten, es gehört dazu ein Mensch zu sein. Vielleicht heißt es auch manchmal ein Risiko einzugehen, oder an dir selbst zu arbeiten, damit du dir und deinem Leben wieder eine gewisse lebendigkeit einhauchst. Natürlich wollen wir für uns immer eine gewisse Sicherheit im Leben, doch sind es nicht meistens die Situationen im Leben, die die Sicherheit in Gefahr bringen, die uns dazu dienen uns weiter zu entwickeln? Wenn alles voraussehbar wäre, man alles leicht haben könnte und alles zu kalkulieren wäre, wäre das Leben dann nicht auch furchtbar langweilig? Was das Leben auch immer für dich bereit hält, sei dankbar, bleib authentisch, sei ein Vorbild für deine Kinder und für andere, versuche dabei immer in deiner Mitte zu sein. In der Zeit in der wir heute Leben, mit dem ganzen technischen Fortschritt, ist es oft sehr schwierig mitzuhalten. Alles muss immer schneller gehen, man ist immer erreichbar steht immer zur Verfügung. Heutzutage gerät man schnell in diesen Strudel, man lebt im ständigen Stress, kommt kaum zur Ruhe und es ist sehr leicht den Zugang zu sich selbst aus den Augen zu verlieren. Ist man aber nicht im Einklang mit sich selbst wird man schnell ungeduldig, unfreundlich und auch unruhig, man isst schlecht, wird schneller krank und Unsicherheit und Angst führen dann nicht selten zu Depressionen oder sogar zum Burnout. Wir neigen dazu, zum Sklaven unserer Lebensweise zu werden, arbeiten zu viel, nehmen uns keine Zeit mehr für das was uns wichtig ist, wofür wir eigentlich leben. Zeit zu haben für unseren Liebsten, für uns selbst und unsere Freunde, dadurch setzen wir unsere Gesundheit aufs Spiel und merken es oft erst wenn wir krank sind. Dann erst verschiebt sich etwas, nämlich der Sinn des Lebens, es heißt nicht Arbeitszeit, es heißt Lebenszeit. Keiner wird dir auf die Schulter klopfen, weil du der fleißigste auf dem Friedhof geworden bist. Alles was der Mensch zum Leben braucht, ist in seinem Inneren zu finden, doch durch die Rastlosigkeit kann man es oft nicht erkennen. Du selbst bist die Schatztruhe, du musst dich nur trauen den Schlüssel ins Schloss zu stecken und darauf vertrauen, das wenn du ihn ins Schloss drehst, sich die Truhe öffnet und das, was schon immer da war in dir, endlich strahlen darf.